Meine Schreibmaschine
Meine Schreibmaschine
Dienstag, 27. Oktober 2009
Natürlich benutze ich keine Schreibmaschine, um meine Texte zu schreiben, sondern arbeitete bislang immer auf einem PC, auf dem meine Texte mit WinWord entstanden sind, womit ich dem Teufel der Inkompatibilität entfliehen wollte. Das funktionierte auch ganz gut, bis zu jenem schicksalhaften Sonntag, an dem ich mein aktuelles Romanprojekt öffnete und einem Nervenzusammenbruch recht nahe kam, nachdem ich einige Minuten fassungslos auf einen leeren Bildschirm gestarrt hatte. Das gesamte Dokument war leer, der Datei-Explorer zeigte mit 0 Kilo-Byte Dateigröße an, 180 Manuskriptseiten hatten sich über Nacht ins Nirwana verflüchtigt. Am Samstag zuvor hatte ich in zwölf Stunden Arbeit zehn neue Manuskriptseiten geschrieben und vergessen ein Backup davon zu erstellen. Glücklicherweise hatte ich ein älteres Backup, weshalb mir tatsächlich nur diese zehn Seiten fehlten. Viel schlimmer empfand ich den Verlust meines Schreibtagebuchs, von dem ich kein Backup hatte. Die Einträge sechs ganzer Monate, randvoll gefüllt mit Notizen, Ideen, Geschichten und Geschichte, waren im Datenhimmel verloren. Mögen sie in Frieden ruhen. Ich war dazu nicht fähig. Etwas musste geschehen.
Bis auf den heutigen Tag ist mir der ganze Vorfall schleierhaft. Windows selbst funktionierte scheinbar fehlerfrei und auch mit WinWord ließ sich anstandslos weiterarbeiten. Nur die beiden Dateien, die ich am Abend zuvor benutzt hatte, waren leer. Hätte ich einen Grund, einen Fehler auf meiner Seite, hätte ich irgendeine Erklärung gehabt oder eine Möglichkeit gefunden, um solch einen Datenverlust ein nächsten Mal zu verhindern, wäre ich vielleicht in der „Windowswelt“ verblieben. Hab ich aber nicht. Also begab ich mich auf die Suche.
Sieht man sich in unter Computern um, verbleiben zwei sinnvolle Möglichkeiten: Linux und Apple. Linux scheint mir mehr etwas für solche Menschen zu sein, die sich gerne mit kryptischen Kommandozeileneditoren beschäftigen, um im Fehlerfall zeilenlange Abkürzungen einzutippen und wenn man wissen will, warum das so ist, erhält man als Antwort ein Zucken mit den Schultern. Also Apple. Zunächst besorgte ich mir einen günstigen Desktop-Computer, einen alten Power Mac G4, um das Betriebssystem und mögliche Schreib-Software zu testen. Die Einarbeitung in das Mac - Betriebssystem OS X war kinderleicht. Niemals zuvor verspürte ich bei der Arbeit mit einem Computer so etwas wie Zeitersparnis. An allen Ecken und Enden nimmt einem das Betriebssystem Arbeit ab, manchmal sogar ohne das man es merkt. Auch die von mir getestete Software lief stabil und so entschied ich mich ein MacBook zu kaufen. Ich kaufte es an einem Freitag.
Die ersten Tage mit dem neuen MacBook waren fatal. Hatte ich zuvor mit einer älteren Version des Betriebssystems gearbeitet, überfielen mich jetzt an allen Ecken und Enden Online-Wünsche des Betriebsystems: IDisk, Mobile-Me, Home-Networking, ITunes-Shop und der Gleichen mehr, um mir das Geld aus der Tasche zu locken. Diese Strategie fand ich (und finde ich noch immer) irgendwie nicht so lustig, weshalb ich erst einmal alle „Türen“ zu meinem MacBook zuschließen wollte. Und weil das MacBook ausschließlich zum Schreiben gedacht ist, löschte ich iTunes, was wahrscheinlich zu dem Mega-Crash führte. Aber das wußte ich da noch nicht, weil ich noch weitere Software installiert hatte, bevor ich das MacBook neu starten wollte, was es leider nicht tat. Nach einem Telefonat mit dem Service stand fest, dass ich das Betriebssystem neu installieren musste - und die ganze übrige Software natürlich auch. Das erledigte ich am Samstag. 8 Stunden Arbeit. Am Ende löschte ich iTunes, weil ich da ja noch nicht wußte ... Nun ja. Das MacBook ließ sich nicht mehr starten. Ich verfluchte Apple, wünschte das Betriebssystem mit samt dem MacBook in die Hölle und ging schlafen. Am Sonntag installierte ich alles noch einmal. Nach jeder installierten Software startete ich das MacBook neu und das Einzige was ich nicht tat, war iTunes zu löschen. Seitdem läuft mein MacBook fehlerfrei. Dieser Text entsteht gerade darauf. Nichtsdestotrotz hat mir diese erste Erfahrung gezeigt, das auch Apple nicht das Gelbe vom Ei ist. Allerdings bietet Apple mit „time machine“ ein besseres Konzept der Datensicherheit an. Hoffentlich hoffe ich. Wissen werde ich es erst, sobald ich das Konzept in einem Ernstfall getestet habe.
Lange wusste ich nicht, welche Software ich nutzen sollte. Obwohl ich viel getestet hatte, konnte mich keine Software überzeugen. Erzählungen zu erschaffen bedeutet ja nicht nur, einfach einen Text in einen Computer zu tippen. Da ist ja noch die mehr oder weniger umfangreiche Recherche, wobei ich das Verwalten der gefundenen Informationen schwieriger als das eigentliche Schreiben empfinde. Bereits Samuel Butler der Jüngere konnte davon ein Lied singen, als er den Inhalt seiner berühmten Notebooks verwalten wollte. Doch das war damals, irgendwann um 1870, und man sollte meinen, in unserer mit Computern gespickten Zeit sollte das alles viel einfacher geworden sein. Doch irgendwie fand ich nicht wonach ich suchte: eine Software um recherchierte Daten zu verwalten, meine Ideen zu arrangieren, also den „Stoff“ komponieren wie Thomas Mann zu sagen pflegte, um daraus einen vernünftigen Text zu schreiben. Ohne jeden Schnick-Schank drum herum. Ich testete lange Zeit und am Ende kam alles ganz anders, denn die Frage klärte sich dadurch, das mir ein guter Freund Scrivener schenkte. Das Konzept hinter Scrivener sowohl die Recherche als auch das Komponieren auf einfache Art und Weise mit dem Schreiben zu verbinden gefällt mir gut. Die Einarbeitung in die Software ist abgeschlossen und ich habe mein erstes größeres Projekt mit Scrivener begonnen. Jetzt bin ich gespannt, was ich damit alles erleben werde.
Übrigens schreibe ich seit jenem fatalen Sonntag mein Tagebuch mit der Hand in eine Kladde, aus der noch keine einzige Seite plötzlich verschwunden ist. Strom braucht sie auch keine und das Ganze funktioniert sogar ohne Internetanschluss. Ist das nicht seltsam?
Mit vielen Grüßen
Dieter Ziegler
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